Raritäten für Streichquartett, gespielt von vier Solisten
Die Veranstaltung
Was: Kammermusik-Soirée Tetzlaff-Quartett
Wo: Tonhalle Zürich, Kleiner Saal
Wann: 17.10.2010
Bereich: Musik
Der Autor
Moritz Weber: Jahrgang 1976, studierte Klavier an den Musikhochschulen in Zürich und München sowie Kulturpublizistik an der ZHdK. Er lebt als freischaffender Konzertpianist, Kulturjournalist und Klavierpädagoge in Zürich.
Die Kritik
Lektorat: Gabriele Spiller.
Von Moritz Weber, 19.10.2010
Der Geiger Christian Tetzlaff und seine Schwester Tanja am Violoncello, sowie Elisabeth Kufferath, zweite Violine, und Hanna Weinmeister, Viola, spielen nun schon seit 16 Jahren als Quartett zusammen. Die vier Musiker hatten sich für ihren Auftritt im kleinen Tonhalle-Saal in Zürich ein spezielles Programm ausgesucht und setzten sich damit für – zu Unrecht – eher unbekannt gebliebene Werke ein.
Sie begannen den Abend mit dem frühen g-moll Quartett von Haydn und starteten mit leidenschaftlichem Zugriff. Abgesehen von einigen stilistisch etwas zu romantischen Manierismen des Primarius, waren sowohl die bizarren und gespenstischen Abgründe, aber auch die Cantabile-Momente dieses gewagten Werkes gut herausmodelliert. Der hochromantische Schwung des Dvořák-Quartettes in der für Streicher eher ungewöhnlichen und unangenehmen Tonart As-Dur lag den Musikern noch besser. Meisterhaft und spannungsvoll entwickelten sie das Hauptthema des ersten Satzes aus den kleinen Motiven der Adagio-Einleitung. Auch im weiteren Verlauf konnten die Vier mit viel struktureller Klarheit und klugem, virtuosem Spiel begeistern. Allerdings blieb ob ihres Verves die Duftigkeit und der schelmische Humor des Werkes etwas auf der Strecke. Im langsamen Satz des Quartettes von Sibelius fand der Abend dann seinen Höhepunkt. Die „intimen Stimmen“ des Komponisten, durch kaum hörbare Pianississimo-Klänge vermittelt, liessen den ganzen Saal in Ergriffenheit verstummen.
Die feinen Unterschiede zum Quartettspiel
Die grosse Professionalität und Sicherheit der vier Vollblut-Musiker beeindruckte während des ganzen Abends. Sie spielten sich die Themen und Motive zu, schnelle Begleitfiguren huschten von Instrument zu Instrument und individuelle agogische Freiheiten wurden von den genau zuhörenden Mitspielern federnd aufgefangen. Sie liessen sich auch nicht durch diverse zu Boden fallende Gegenstände und laute Hust-Geräusche stören. Sogar ein rhythmisch piepsendes Etwas, welches die ersten Minuten des Konzertes begleitete und für die Musiker auf der Bühne sicherlich äusserst irritierend war, brachte sie nicht aus der Fassung.
Dem ganz feinen Ohr blieb jedoch der Unterschied zu einem Streichquartett, das fast ausschliesslich als Ensemble spielt, probt und konzertiert, nicht verborgen. Sogar in der Künstlerbiographie im Programmheft steht ausdrücklich, dass „die Künstler nur phasenweise zusammenarbeiten“ – was aufgrund der mit Solistenkonzerten vollbepackten Agenda der einzelnen Musiker nicht verwunderlich ist. Es waren minimale Unterschiede in Klangattacke, Vibrato und Intonation, sowie dynamische Disbalancen, welche höchste Klanghomogenität und eine Verschmelzung des Klangs der vier Instrumente zu einem Gesamtklang verhinderten. Auch Feinstheiten wie zum Beispiel die vom Komponisten eben nicht einfach „forte“ oder „allargando“, sondern „poco forte“ und „poco allargando“ verlangten Phrasen würden eine weit zeitintensivere und stetigere gemeinsame Probenarbeit erfordern. Des Weiteren verwunderte, dass Tanja Tetzlaff am dritten Pult sass, am eigentlichen Stammplatz der Bratsche im klassischen Streichquartett. Durch ihren zwar wunderbar sonoren, aber doch sehr dominierenden Ton wurde der Gesamtklang meist zu basslastig und überdeckte oft die wertvolle Bratschenstimme, die leider nur an ganz wenigen Stellen hörbar wurde. Man hätte gerne mehr von Hanna Weinmeisters noblem und pointierten Spiel vernommen.
Summa summarum war es jedoch ein wirklich schöner Abend auf hohem Niveau.