Wie aus Ton geformt

Die Veranstaltung

Was: Gilgamesch
Wo: Theater der Künste
Wann: 17.02.2010 bis 10.03.2010
Bereich: Theater

Der Autor

Robert Salzer: Jahrgang 1983. Seit 2007 Theater- und Filmkritiken für «students.ch». 2009-2011 Ressortleiter Kultur. Weitere Artikel publizierte er bei «nachtkritik.de», «ensuite», «Akademikerzeitung» und «Stattluft».

Die Kritik

Lektorat: Stefan Schöbi.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).

Von Robert Salzer, 22.2.2010

„Der Wissenschaftler hat auf den weiteren Verlauf keinen Einfluss … Danke!“ Das Theater der Künste erzählt die Geschichte des Königs Gilgamesch von Uruk und seines Widersachers Enkidu, der zu seinem Freund wird, mehrschichtig. Die Handlung wird immer wieder durch einen Wissenschaftler/Erzähler unterbrochen und ergänzt. Gilgamesch und Enkidu ziehen nach ihrer Verbrüderung aus, um eine Heldentat zu vollbringen. Das Monster Humbaba soll getötet werden. Dabei übernehmen sich die zwei aber und bringen neben Humbaba auch noch einen Götterboten um. Die Strafe folgt auf den Fuss und Enkidu muss sterben. Aus Angst, dasselbe Schicksal zu erleiden, flieht Gilgamesch aus Uruk und zieht rastlos durch die Welt.

Sprechchöre in allen Variationen

Auf Tontafeln ist das alte babylonische Gilgamesch-Epos überliefert, in einer Keilschrift, deren Entzifferung die Wissenschaftler viel Schweiss gekostet hat. Die Überlieferungsform spiegelt sich auch in der Inszenierung. Spartanisch mutet die Bühne an, deren Wände zu Beginn als Tontafeln dienen. Wie einzelne Buchstaben (oder Keilzeichen) werden Schauspieler und Musik eingesetzt und zusammengefügt, gemeinsam zu Worten geformt, welche schliesslich die Geschichte des titelgebenden Königs Gilgamesch erzählen. Konsequent sprechen die Figuren im Chor, manchmal alle zehn Spielenden gemeinsam. Selten gibt es einen Monolog oder Dialog.

Diese Sprechchöre machen den Abend aus und werden in allen Varianten durchgespielt: mal verhüllt unter einem unförmigen Haarwesen, mal frontal an der Rampe. Sprechchöre ertönen sitzend, Sprechchöre ertönen stehend. Technisch ist dies höchst anspruchsvoll, vor allem wenn einzelne Wörter verschiedener Schauspieler zusammen einen Satz formen und dies in einer Geschwindigkeit und Präzision geschieht, dass man den Satz ohne Mühe versteht. Lange dauert es aber leider nicht und man hat genug von diesen kollektiven Ausrufen. Als Stilmittel passt der Chor, als abendfüllendes Konzept ermüdet er und stört beim Transport des uralten, vielen Theatergängern unbekannten Stoffes.

Schöne Regieeinfälle und eine starke Ensembleleistung

Schöne Szenen ausserhalb der Geschichte gibt es viele: Wenn Humbaba beispielsweise mit Sensoren am Körper ausgerüstet mittels seiner Bewegungen elektronische Geräusche verursacht oder die Schauspieler zu einem wunderbaren Beatbox-Konzert anstimmen, schaut und hört man gerne zu. Die versprochene Interdisziplinarität des Abends wird hingegen nicht eingelöst. Zwar gibt es hin und wieder moderne Musik, diese spielt aber eine Nebenrolle. Die moderne Musik ist denn auch die einzige Übertragung ins Heute, sonst wird die Überlieferung historisch bis zeitlos erzählt. Es bleibt eine starke Ensembleleistung, die aber verhindert, dass der einzelne Beteiligte zur vollen Geltung kommt.

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