Schön männlich

Die Veranstaltung

Was: Chris Leuenberger - Masculinity
Wo: Fabriktheater, Rote Fabrik
Wann: 20.02.2010
Bereiche: Performance, Theater

Die Kritik

Lektorat: Stefan Schöbi.

Von , 22.2.2010

Männer sind schon bei ihrer Geburt als Mann geeicht, verlautete es schon aus der Kehle Herbert Grönemeyers. Ist im Zuge des allgemeinen Wandels heute noch klar, was Männlichkeit bedeutet? Diese Frage ist in einer Gesellschaft berechtigt, in der metrosexuelle Männer auch die weibliche Seite ihrer Persönlichkeit nach aussen kehren und in ihrem Lebensstil nicht mehr zwischen Frau und Mann unterscheiden.

Geschichten oder Therapie?

In Masculinity verkörpert Chris Leuenberger das Männliche. Dass er ein Mann ist, erfährt er zum ersten Mal in einer Bäckerei, als die Verkäuferin einem Kind sagt, dass erst der Mann an der Reihe sei. Die Performance beginnt mit einer Stimme in einem dunklen Raum. Und von da an entrinnen die Geschichten dem Künstler wie der Schmutz beim morgendlichen Gesichtswaschen dem Lappen. Oder erinnern die Episoden eher an eine Therapiesitzung beim Psychotherapeuten? Sicher ist: Chris Leuenberger hat im Juni 2008 die School for New Dance Development in Amsterdam abgeschlossen. Seit seinem Debutstück White Horse – an attempt at live therapy interessiert ihn vor allem der therapeutische Aspekt am Theater.

In seiner One-Man-Show, die durchaus Tiefgang hat, zeigt sich der Darsteller mit nacktem Oberkörper. Es entsteht eine Melange aus Melancholie und unfreiwilliger Komik, die sich auf die Zuschauer überträgt und die Dynamik der Inszenierung befördert. Die Vorgänge sind teilweise absurd. So rennt der Protagonist zu Beginn aus der Halle, um anschliessend durchnässt und mit vollem Muskeleinsatz männliche Situationsbilder zu karikieren. Ein Urtypus des Mannes wird thematisiert, wenn Leuenberger etwa den Cowboy bei einem Rodeo mimt. Nicht fehlen darf auch das Thema Fussball: Trittsicher tanzend mit unsichtbaren Ball zeigt er hier beinharte Stärke – ein echter Kerl eben. Auch Leuenbergers Ausflug in eine weitere Domäne der Männlichkeit, die Armee, ist überzeugend; das anstrengende Atmen des Akteurs, die Nebengeräusche seines athletischen Tuns verleihen der Männlichkeits-Show eindrückliche Authentizität.

Fesselnde Präsenz, fehlende Perfektion

Am Schluss der Veranstaltung wälzt sich der von seinen Heldentaten Ausgezehrte am Boden und erinnerte in dieser Pose an die Heimkehr des ausgebluteten Homer nach Troya. Das Mitgefühl der Zuschauer ist spätestens dann ganz beim Darsteller angekommen.

Die klare Inszenierung hat Chris Leuenberger selbst konzipiert. Eine karge Bühne mit wenigen Requisiten lenken die Konzentration voll auf den Solisten und die Sprache seines Körpers – die Bilder sollten wohl in den Köpfen der Betrachter entstehen. Doch die Realität auf der Bühne fesselt die Aufmerksamkeit bisweilen weit stärker. Diese ausgezeichnete Präsenz des Darstellers war bestechend – perfekt war sein Werk als Ganzes aber nicht.

Weiterlesen: