Israel-Palästina in unseren Köpfen

Die Veranstaltung

Was: Checkpoint. Israel-Palästina in unseren Köpfen
Wo: Message Salon
Wann: 16.02.2010
Bereich: Literatur

Die Autorin

Claudia Keller: Jahrgang 1984, studierte Germanistik, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte. Sie war für diverse Zeitungen und Zeitschriften journalistisch tätig, unter anderen für den "Tages Anzeiger", das Kunstmagazin "artensuite" und die "Schweizer Monatshefte".

Die Kritik

Lektorat: Stefan Schöbi.

Von Claudia Keller, 17.2.2010

Eine neue „Wahrheit“ erfährt der mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt in groben Zügen bekannte Zuschauer auch in „Checkpoint“ nicht. Wie auch, handelt es doch von einer lediglich zweiwöchigen Recherchereise, in der sich die Reisenden zwar bemühen, das Geschehen im Nahen Osten vor Ort zu verstehen und ein anderes als das von den Medien vorgeschaukelte Bild zu erhalten, gleichzeitig jedoch mit ihren eigenen Vorurteilen und Unsicherheiten zu kämpfen haben. Doch das ist weiter nicht schlimm. Denn gerade dieses Hadern mit der eigenen Sicht auf den Konflikt vermag die freie Theatergruppe „Die Grenzgänger“ mit Julian M. Grünthal in der Regie vielfältig doch kompakt und mit einem sowohl persönlichen als auch ironischen Ton zu vermitteln. Das Versprechen im Untertitel wird eingelöst: Es wird ein Israel/Palästina gezeigt, das in unseren Köpfen existiert.

„Ich bin hier, du bist dort“

Zwei junge Leute aus der Schweiz machen sich auf nach Israel und den „besetzten palästinensischen Gebieten“ (wobei sie spätestens in Israel erfahren, dass dies nicht alle so formulieren würden) und halten ihre Eindrücke mit Videokamera und Tagebuch fest. Diese Gespräche werden mal von den Schauspielern Marion Lindt, Yves Wüthrich und der herausragenden Elisabeth Rolli theatralisch umgesetzt, mal in einer Videoinstallation wiedergegeben, so dass ein abwechslungsreiches Zusammenspiel von Dokumentation und künstlerischer Reflexion entsteht. Die Gespräche mit den Bewohnern auf beiden Seiten zeigen, wie widersprüchlich und endlos die Diskussionen um die immer gleichen Themen wie Jerusalem, Grenzen, Rückkehrrecht oder Siedlungen sind, und wie durchlässig und doch wieder absolut die Grenzen sind und letztlich nicht überschritten werden können: „Ich bin hier und du bist dort“. Aber auch wie versucht wird, die Reisenden zu manipulieren, ihnen ein (oft sehr einfaches) Bild als Wahrheit zu verkaufen.

Die Gespräche unter den Reisenden selbst zeigen hingegen auch, dass der Glaube, in zwei Wochen mit einer Kamera und einer objektiven Haltung bewaffnet diesen Konflikt verstehen zu wollen, ziemlich naiv ist. Der Einwand „Ich hab’s wenigstens gesehen! Ich war dort!“ vermag oft nur wenig gegen die vorgefertigten Bilder im Kopf auszurichten. Selbst mit einem Schweizer Pass können nicht alle Grenzen überschritten werden.

Aussen- vs. Innensicht

Der Grossteil des Stücks vermag so zwar mittels Gesprächen und (teils verwirrenden) Erfahrungen Einblicke in die Gedankenwelten beider Seiten zu geben, und es wird nicht davor zurückgeschreckt, den sexbesessenen Palästinenser oder den in seinem radikalen Gedankengut absurd scheinenden Israeli hochzunehmen. Die Verzweiflung, die Angst und die Hoffnungslosigkeit, die so prägend für den nicht normalen Alltag zwischen Tel Aviv und Ramallah sind, kommen jedoch erst zum Schluss: Hagar Admoni-Schipper erzählt überzeugend – zwar aus der Perspektive einer Israelin, jedoch beide Seiten involvierend – eine Geschichte, die den Konflikt nochmals „in a nutshell“ auf den Punkt bringt und dem Zuschauer einen Eindruck davon gibt, was es heisst, dort zu leben.

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