Bildwelten_4: Klein ist oft größer

Die Veranstaltung

Was: Bildwelten_4
Wo: Röschibachstrasse 57, 8037 Zürich
Wann: 01.12.2010 bis 18.12.2010
Bereich: Bildende Kunst

Der Autor

Christian Felix: Jahrgang 1960, arbeitet seit 2004 selbstständig als Drehbuchautor. Daneben schreibt er Reden, Buchkritiken, Zeitungs-/Magazinartikel, sowie Editorials (www.christianfelix.ch)

Die Kritik

Lektorat: Sophie Caflisch.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: KunstRaum R57 (siehe Unabhängigkeit).

Von Christian Felix, 2.12.2010

Ein minimaler Ausstellungsraum mit maximalem Programm:

108 Werke von 34 Kunstschaffenden, in einem nur 18 qm großen Ladenlokal, dieses weiß gestrichen, natürlich?, drei Neonröhren, drei Wände, zwei Fenstervitrinen. „Petersburger Hängung“ ist angekündigt, also Bild an Bild, Rahmen an Rahmen, was bei so vielen Werken rein mathematisch zu kleinen oder sogar winzigen Formaten zwingt. Man kommt in den Laden, und – die Eindrücke wirbeln herum wie in einer Waschmaschine. Da sind Malerei, Fotografie, Plastik, Reliefs und, fast schon zwingend, eine Videoinstallation.

Massive Qualitätsunterschiede

Was bewirkt diese Ausstellungsform? – Sie nivelliert. Zunächst steht ganz kunterbunt und frisch ein einziges Juhui im Raum. Dann stechen die weniger gelungenen Werke unangenehm ins Auge. Bei einzelnen fragt man sich, woher die Erschaffer den Mut nehmen, überhaupt auszustellen. Im Kontrast dazu treten dann die wirklichen Kunstwerke hervor. Eins ums andere. Es gibt es einige Werke, die man sich gleich zu Weihnachten wünschte. Womit wir beim Stichwort wären. Auch wenn Bildwelten_4 bloss eine Dezemberausstellung sein will, ist es doch eine Weihnachtsausstellung, übrigens nett von Marroni und Glühwein begleitet. Weihnachtsausstellungen sind in der Regel großzügig mit ihren Auswahlkriterien.

Auswahl in Petersburger Textung

Drahtplastiken von Martin Senn: kleine Kunst, die man sich ganz groß vorstellen kann. Senns Flügelspieler, aufgeblasen auf zehn Meter Höhe vor dem Opernhaus? Gut möglich, dass die Plastik selbst dann ihre Kraft behielte. Nicht umsonst besetzt sie ganz unpetersburgisch fast allein eine der beiden Ladenvitrinen.

In der anderen Vitrine, auch mit viel Raum um sich, eine Hummel auf einer Schaukel, als könnte sie nicht fliegen, von „unkraut“ (Sabine Kreuter & Urs Lehmann). Das Künstlerduo amüsiert auch mit einem verbrannten Spiegelei im Goldrahmen, einem winzigen Hirn als Marzipanpraline und mit einer Fotografie aus Biotop-Perspektive. Humorvoll, oder sogar mehr als das?

Jedenfalls brilliert bei „Bildwelten_4“, wer die Kleinform zu seinen Gunsten zu nutzen weiß, wie Esther Schena, die auf 11×13.4 cm Alltagssituationen in Poesie verwandelt.

Etwas weniger Geschick im Umgang mit Fläche zeigt Christine Hunold mit ihren an sich bezaubernden Fotographien. Sie stellt sie in Neunerblocks aus, also in enger Hängung innerhalb der noch engern Hängung. So geht unter, dass sie mit einigen dieser Fotos eine berührende Lebensnähe schafft.

Fast am kleinsten und doch vieles überstrahlend – das Publikumsinteresse zeigt es – sind die vier Ölgemäldchen von Martina von Schulthess. Sie paaren Melancholie mit Witz. Man müsste sie indes lange betrachten, um das Tiefgründige in den einfachen Motiven (Fadenspulen und Bleistifte) wirklich zu erschließen.

Zwei Fotografien: Ein Turm aus Würfelzucker, dann der Turm eingestürzt, von Sonja Lotta. Manchmal weiß man nicht, weshalb etwas auf den ersten Blick besticht. Ist es die einfache Idee, die sorgfältige Umsetzung, eine irgendwie transportierte Aktualität?

Akzent auf Alltag

Die Ausstellung an sich wirkt als Aufnahme einer aktuellen Gefühlslage. Insofern ist sie stark. Aller unterschiedlicher Werke und Künstlerinnen und Künstlern zum Trotz zeigt sie summa summarum Zürcher Alltag, gewollt oder durch die Kleinform der Werke erzwungen. Sie besitzt eine klare Stoßrichtung. Dazu darf man dem Aussteller Ruedi Staub gratulieren. Die mächtige Eisenplastik von Matthias Bach auf der Straße sorgt auch optisch dafür, dass sich „Bildwelten_4“ nicht im eigenen Kunterbunt verliert.

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