Sprühend frische Adam-Geister
Die Veranstaltung
Was: Adam Geist
Wo: Theater der Künste, Bühne A
Wann: 03.06.2010 bis 16.06.2010
Bereich: Theater
Der Autor
Christian Felix: Jahrgang 1960, arbeitet seit 2004 selbstständig als Drehbuchautor. Daneben schreibt er Reden, Buchkritiken, Zeitungs-/Magazinartikel, sowie Editorials (www.christianfelix.ch)
Die Kritik
Lektorat: Stefan Schöbi.
Diese Kritik wurde in Auftrag gegeben und bezahlt von: Zürcher Hochschule der Künste (siehe Unabhängigkeit).
Von Christian Felix, 5.6.2010
Die Bachelor-Studentinnen und Studenten der Theaterkunst an der Zürcher Hochschule der Künste bestreiten zusammen eine Aufführung. Noch während die Zuschauer tunlichst den Eindruck vermeiden, dass sie sich um die besten Plätze balgen, mimen die Schauspieler Kinder auf dem Pausenhof, dies etwas zu kindisch, aber doch in herrlicher Spiegelung der Situation. Die Inszenierung bleibt köstlich, das Schauspiel sprühend frisch, so dass man der Truppe (oder der Klasse) gerne noch länger zugeschaut hätte. Soviel vorweg, um für die Aufführung eine Lanze zu brechen.
Schwaches Bühnenstück, gelungene Aufführung
Zunächst aber die bittere Pille: Das Stück von Dea Loher. Der aufgeführte Text lässt fast alles vermissen, was ein Bühnenwerk sonst packend macht: Raffinesse, Witz, Überraschung, überhaupt einen dramatischen Konflikt. Dea Loher entführt uns in lauter Welten, die sie selbst nicht kennt, und bedient uns demzufolge mit allerhand Plattitüden.
«Adam Geist» zeigt Stationen im Leben Adams. Das machte das Werk rein technisch geeignet für eine Aufführung, bei der möglichst viele Akteure einer Gruppe ins Rampenlicht treten sollen. Das gelingt; das Bühnenbild trägt viel dazu bei. Es nimmt die ganze Saallänge ein, besteht aus kistenartigen, geschickt beleuchteten Kleinbühnen auf zwei Stockwerken sowie dem langem Raum davor – einfach und effektvoll. Adam, die einzige Hauptfigur, wird auf den verschiedenen Stationen seines Wegs von unterschiedlichen Schauspielern verkörpert, Frauen wie Männern.
Faust, Bubi und Engel
Es ist durchaus ungerecht, aber dennoch aufschlussreich, ein paar der DarstellerInnen hervorzuheben. Eine Glanzminute erlebt das Stück in der Szene, in der Adam (Matthias Schoch) eine junge Frau (Julia Sewing) vergewaltigen will und sie dabei erdolcht. Es ist hier ein vorwärts drängender Adam, ein junger Kerl mit zu viel Kraft, getrieben von Lebensgier, ein Faust, der seine eigene Tragödie besiegelt und dann feig davon läuft. Adam ist überfordert mit seinem Gegenpart, einer zierlich-listigen jungen Frau. Sie wird von Adam in der Bühnenkiste herum gewirbelt wie die Katze in der Waschmaschine. Man bangt um sie! Sie schwebt fortan als stummer Engel über dem Stück, federleicht, als könnte sie tatsächlich fliegen.
Gleich darauf folgt ein anderer Adam (Holger Foest), der sich in einen Indianer-Feuerwehrmann (Rahel Schmid) verliebt. Der Mann spielt die Hauptfigur fast noch authentischer, nämlich als einen tapsigen, eher hilflosen Burschen. Mit dem Kontrast zwischen Faust und Rotznase öffnet sich der Blick auf alle anderen denkbaren Facetten der Figur.
…wenn man trotzdem lacht
Adam (Lea Whitcher) kommt zu den Skins, witzig verkörpert zwar durch Frauen mit Plastikglatzen, dennoch bezeichnend für das Stück. Die Skins sind selbstverständlich nichts ausser doof und rechtsextrem. Das Publikum findet das seltsamerweise lustig, verpasst dafür den wirklich komischen Einfall, als der Indianer das Redbull… Hierzulande muss ein Witz im Voraus angemeldet werden, sonst lacht niemand.
Mit den Skins tritt Dr. Strangelove (Urs Humbel) auf, leicht komödiantisch überzeichnet, doch mit so viel Verve gespielt, dass einem das Herz lacht. Später, hier als letztes Ausrufezeichen gesetzt, verkörpert eine Frau (Michèle Rohrbach) einen alten Mann im Bosnienkrieg. Er wirkt so gebrechlich, dass er echtes Mitleid auf sich zieht. Man atmet richtig auf, als Adam, wieder der Draufgänger, ihm das Leben rettet. Es ist der einzige Moment, in dem die Hauptfigur überhaupt bewusst handelt. Der tief in Schuld gefallene Adam erwirbt so die Hoffnung auf Vergebung. Sie wird wohl nicht erfüllt, wie ihm der Engel pantomimisch, doch mehr als deutlich verkündet.
Doch selbst die Aussage des Stücks bleibt blass neben der Inszenierung. Diese setzt das Element des erzählenden Chors überraschend frech ein, lässt die Musik dezent im Hintergrund und begeistert mit einer ausdruckstarken Choreografie. Da man nie jemanden zwischen den Bühnenkisten Treppen steigen sieht, fliegen einem die Darstellerinnen und Darsteller fast um die Ohren. Für viel Effekt sorgen die einmal witzig skurrilen, ein andermal zurückhaltenden Kostüme. Alles in allem zeigt die junge Truppe eine Lust am Schauspiel und Theater, wie man sie selten sieht.