Peyote-Trips und Hippie-Cowboys in Mexiko
Die Veranstaltung
Was: «Ich weiss nicht» – Jürgen Teipel
Wo: Rote Fabrik, Fabriktheater
Wann: 06.05.2010
Bereich: Literatur
Der Autor
Gregor Schenker: Jahrgang 1984, studiert Germanistik sowie Filmwissenschaft in Zürich und schreibt seit langem leidenschaftlich Kritiken, unter anderem für «badmovies.de» oder «students.ch».
Die Kritik
Lektorat: .
Von Gregor Schenker, 9.5.2010
Eine Lesung in einem derart intimen Rahmen erlebt man selten – gerade mal zwei «echte» Zuhörer hatten sich ins Fabriktheater verirrt, um Jürgen Teipel zu lauschen, der aus seinem neuen Roman «Ich weiss nicht» vortrug. Aber wer lässt sich davon entmutigen! Die Belegschaft der Roten Fabrik spendierte kurzerhand eine Flasche Weisswein und setzte sich zum Publikum, der Autor liess sich nichts anmerken.
Massaker in der Roten Fabrik
Das Programm begann mit einer Passage aus «Verschwende deine Jugend», Teipels dokumentarischem Romanerstling über die deutsche Punk- und New-Wave-Bewegung. Mitglieder der ehemaligen Punkband KFC schilderten, wie sie in den Achtzigern einmal während eines Konzerts in der Roten Fabrik beinahe massakriert worden wären. Das Publikum am Abend der Lesung war glücklicherweise besser gelaunt.
Danach ging es aber um den Nachfolgeroman «Ich weiss nicht». Teipel erwies sich als geübter und angenehmer Vorleser, auch längere Textabschnitte wurden nie ermüdend. Ergänzend schilderte er die Entstehung des Buches: Um 2003 herum recherchierte er ein Austauschprogramm des Goethe-Instituts Berlin, in dessen Rahmen DJs aus Deutschland, aber auch aus anderen Ländern, zum Beispiel in Mexiko auflegen und an Diskussionsveranstaltungen teilnehmen konnten. Teipel ging also ins Land der Kakteen und Azteken, schrieb seine Erlebnisse rund um den Techno-Event auf und führte zig Interviews (aus denen er teilweise auch vorlas). Schliesslich entschied er sich aber dagegen, daraus einen neuen Collagen-Roman nach dem Muster von «Verschwende deine Jugend» zu fertigen. Stattdessen liess er das ganze Material in eine fiktionale Story einfliessen.
Total gut und superinteressant
Hauptfigur des Romans ist ein namenloser Ich-Erzähler, der als DJ zusammen mit der französisch- stämmigen Tere und dem mexikanischen Kollegen Rico unterwegs ist. Soweit, so gut, aber unverhofft stösst auch Tommy hinzu, Teres Ex-Freund. Er wird schnell zum fünften Rad am Wagen, seine Anwesenheit drückt merklich auf die Stimmung. Trotzdem machen sich die vier, nachdem unser Erzähler einen entsprechenden Tipp bekommen hat, auf in die mexikanische Wüste, um Peyote zu probieren. Nach einer stundenlangen Reise durch unwegsames Gelände gelangen sie endlich an einen heiligen Ort, wo die halluzinogenen Kakteen wachsen…
«Und das fand ich dann einfach völlig interessant.» «Das sind seltsame Gefühle teilweise.» «Und dieser Club war dann einfach der Hammer.» Der Protagonist spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, wie Teipel es seinen Interviewpartnern ablauschte. Die Ausdrucksweise zeugt von Begeisterungsfähigkeit und einer gewissen Naivität (Teipel besteht auf dem Begriff «Offenheit»); der Erzähler tendiert manchmal fast schon zur Esoterik und wirkt in seinem Idealismus etwas weltfremd. Das ist anfangs gewöhnungsbedürftig, man findet aber schnell in diesen Ton hinein (für eine Lesung ist dieser sowieso ideal) und kann sich vom Protagonisten mitreissen lassen. Man erlebt mit, wie er sich verändert – vom T-Shirt-Träger zum Hippie-Cowboy – und die «Hülle» abwirft, die ihn von seinen Mitmenschen trennt.
Nicht verwunderlich, dass man die Rote Fabrik mit guter Laune verliess – trotz Regen. Auch wenn wenige Zuhörer da waren, die Lesung war umso schöner und die Buchverkäufe laufen hoffentlich etwas besser. Verdient hätte es der Roman.